Meine Seite  
 
  Der Sarg schließt sich 19.05.2024 21:49 (UTC)
   
 

2 Tage nachdem sie nachts so hilflos aufgefunden wurde, wurden die Maschinen endgültig abgestellt und sie ging ihren letzten Weg und gab ihrem letzten Atemzug.

Man hat extra gewartet, dass alle Familienmitglieder Abschied nehmen konnten, naja zumindest fast alle… mich nahm keiner mit oder aber meine Eltern fuhren nicht hin, weil sie ja “eigentlich nix” mit ihr zu tun hatten.

Meine Oma und mein Opa fuhren ja schon einen Tag früher und wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass es o schnell zu Ende ging, daher sind sie dann auch gleich über Nacht dort geblieben.

Meine Tante wurde dann auf dem Hof in der Halle aufgebahrt, dort hatten noch mal alle die Gelegenheit von ihr Abschied zu nehmen. Wieder alle bis auf ich. Ich konnte schlecht mal so nach Holland fahren, wenn man nicht weiß wie man hinkommt.

Ich habe mir schreckliche Vorwürfe gemacht erst, als klar war das sie stirbt und ich nicht ins Krakenhaus konnte um sie ein letztes mal lebendig zu sehen und dann noch einmal als klar wurde das man nur am 21.12.06 von ihr Abschied nehmen konnte. Nur an diesem Tag. Ich sollte erst einen Tag später mit meinen Großeltern zur Beerdigung fahren. Mir tat alles so Leid… ich konnte ihr nicht sagen, was sie für mich war und wie sehr sie mir fehlen würde.

21.12.2006

 

Es erschienen alle Nachbarn und Bauern aus der Umgebung. Alle Freunde die sie sonst noch hatte, teilweise mit den Tieren die sie kannte.

Die gesamte Straße wurde mit Kerzen beleuchtet, diese führten dann bis zu ihr, genau bis vor sie. Es muss ein sehr bewegender Anblick gewesen sein, als so viele Mensche voller Trauer, aber mit Fackeln die Straße bis zu ihr lang gingen.

Ich weiß nicht wie mein Onkel die Kraft dazu aufbrachte das alles mit anzusehen und dabei die Würde zu tragen und ein guter Gastgeber zu sein.

Daher sollte am 22.12.06 auch niemand das Haus betreten dürfen, außer die Brüder und Kinder sowie Enkelkinder von ihr.

Also war meine Hoffnung am 22. Abschied zu nehmen auch dahin, ich würde sie nie wieder sehen, der Sarg würde verschlossen sein, wenn ich am Freitag zur hölländischen Messe und dann ins Krematorium fahren würde.

 

Doch dann ein Hoffnungsschimmer: Meine Oma rief noch abends an, um mir mitzuteilen, dass es der ausdrücklichste Wunsch meines Onkels war dass ich am Folgetag morgens zu ihnen auf den Hof komme. Er wollte dass auch ich die Möglichkeit habe, mich zu verabschieden, da ich für sie immer wie ein eigenes Kind war.

Zum einen rührte mich diese Aussage sehr und zum anderen machte es die Sache noch schwerer, jetzt wo ich wusste, dass ich viel mehr wert war als ich angenommen hatte.

 

Freitag, 22.12.2006

 

Die Nacht konnte ich kaum schlafen, und am morgen war es nicht einfach in die Gänge zu kommen. Es war gedrückte Stimmung und ich bekam den Kloß nicht aus meinem Hals.

Dann holten mich meine Großeltern und Onkel Wolfgang endlich ab. (der ältere Bruder meines Opas, leider hält er sich für etwas besseres… er hat schon einen Aufstand gemacht, weil sein Name nicht der erste war der auf unserem Blumenkranz stand)

Weil genau das auf der Fahrt wieder zur Sprache kam, versuchte ich mich auf meinem MP3-Player zu konzentrieren. Das hat auch alles soweit geklappt, doch je näher wir Deventer kamen umso schwieriger wurde es.

Als wir dann den Hof in Sicht hatten, kamen gleichzeitig mit uns ach meine Cousine und mein Cousin an. Der Weg über die Straße, über die Einfahrt, bis hin zum Haus kam mir schrecklich lang vor. Immer wieder kam mir in Gedanken, wie leer es jetzt dort sein würde und dass in dem Haus meine tote Tante liegt.

Nie wieder würde ich sie lachen hören, nie wieder würde sie mir versuchen können holländisch beizubringen.

Mein Onkel erwartete und bereits an der Tür. Mich begrüßte er zuletzt, der erste Satz: “Ist es schlimm?”

Ich hab keinen Ton raus gebracht sondern nur noch nicken können. Danach kamen die Tränen.

Wir wurden ins Haus geführt und es wurde erst mal etwas getrunken. Durch dieses Haus bin ich etliche male gelaufen, habe dort gespielt aber trotzdem war es ungewohnt.

In der Halle stand ganz am Ende der Sarg, ringsherum Kerzen und unzählige Blumen. Wäre die Sache nicht so traurig gewesen, wäre es schön.

Dort lag sie also und schien so friedlich… sie trug einen lila Cordmantel dazu eine weiße Bluse. Selbst im Tod lächelte sie noch. Kommentar von Wolfgang: dass hat das Bestatungsinstitut aber gut hinbekommen. (Dass hätte ja wohl nicht sein müssen…) Schon bei der Frage mit dem Namen auf dem Kranz hab ich Wutanfälle bekommen, wen bitte interessiert es denn wer zuerst drauf steht? Soll das heißen der erste liebte sie mehr als der zweite oder dritte?

Ich war da, um mich in Ruhe von ihr zu verabschieden, nicht um mir sinnlose Sprüche anzuhören.

Es hat wirklich so ausgesehen, als würde sie noch leben und jeden Moment die Augen öffnen und aufstehen. Doch selbst das fluchen meines Opas hat da nichts gebracht. Ich hab ihn noch nie so verzweifelt erlebt. Er stand nur neben ihr und mir und betrachtete sie. Er war ganz ruhig, was man von einem bestimmten Wolfgang nicht behaupten konnte… (“sinnlos so viele Blumen zu holen, dass muss ja so viel gekostet haben…” “…die werden ja eh alle verbrannt, wenn sie sie einäschern.” “und da ist unser Kranz, mich haben sie doch nicht zuerst drauf geschrieben, obwohl ich es gesagt hab…”) Alleine diese Sprüche trieben mir die Tränen in die Augen. Er ist doch ihr Bruder, er ist da um sich zu verabschieden, er würde sie heute das letzte mal sehen… Und er??? Er macht sich Sorgen um die Ausgaben und die scheiß Blumen!

Dann bekam mein Opa einen Weinkrampf und umarmte seine leblose Schwester, er fluchte immer wieder, wie sie ihn nur verlassen konnte und warum sie einfach gegangen ist ohne ein Wort? Wie sie sich nur einfach so davonschleichen konnte? Das mit anzusehen tat richtig weh. Sogar Wolfgang konnte sich kurz von den Blumen reißen, um meinem Opa bei seinem Anfall zuzusehen, und dann bekommst du auch noch zu hören, ihr ginge es jetzt besser. So ein Idiot, an dem Tag hätte ich ihn sonst was! Ihr ging es vorher ja ach gut. Wahrscheinlich war es besser, dass ich vor heulen nicht sprechen konnte.

Nun weinten wir uns gegenseitig einen vor, um die Wette wenn man so will. Am liebsten wäre ich gegangen, weil es zu viel wurde, doch ich konnte nicht von ihrer Seite weichen. Zumindest dass war ich ihr schuldig, der Sarg sollte bald geschlossen werden, und ich wollte jede Sekunde die ich noch Zeit hatte in ihr Gesicht sehen.

Zum Schluss berührte ich noch ihre Hand, es war erstaunlich wie kalt und steif sie war, sonst war sie immer leicht rau, aber warm mit einem Geruch von Pferden.

René und Jolandra kamen nun um den Sarg zu schließen, mit meinem Onkel und den Lebensgefährten der beiden hatte jeder eine Schraube in den Sarg zu drehen. Nun durfte auch René´s Tochter (michellé ca. 3 Jahre) in die Halle. Sie war ja noch viel zu klein um das alles begreifen zu können, wahrscheinlich hätte es auf so ein kleines ´Kind auch alles beängstigend gewirkt.

Mein Opa und ich schauten die ganze Zeit zu, Onkel Wolfgang musste sich um was anderes kümmern… was auch immer… seine Schwester wurde ja nur das letzte Mal gesehen…

 

Der Sarg war zu… nun sollte es zur Messe gehen.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Du bist der 38265 Besucher (61684 Hits) hier!
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden